Hilfe bei Spielsucht: Überblick der Möglichkeiten
Wege aus der Spielsucht: Therapieansätze und neue Perspektiven
Spielsucht lässt sich behandeln, doch der Weg dorthin beginnt mit fundiertem Wissensschatz. Betroffene und Angehörige finden heute ein breites Feld an Hilfen, von ambulanter Beratung bis zur stationären Rehabilitation. Wissenschaftliche Leitlinien und neue Methoden ergänzen sich, während staatliche Schutzinstrumente den Rahmen setzen. Dieser Überblick beschreibt den aktuellen Stand und zeigt, wo Spielerschutz ansetzt.
Was Fachleute unter Glücksspielsucht verstehen
Die Fachliteratur verwendet die Begriffe Glücksspielstörung oder pathologisches Spielen. Das DSM-5 zum Beispiel ordnet die Störung den nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten zu und beschreibt ein anhaltendes, wiederkehrendes Verhalten mit spürbarer Beeinträchtigung des Lebens. Die Diagnose erfordert ein Minimum von vier Kriterien in einem Zeitraum von zwölf Monaten, etwa Kontrollverlust, das Verlangen nach höheren Einsätzen oder das „Verfolgen“ von Verlusten.
Die ICD-11 führt die Störung unter den „Disorders due to addictive behaviours“. Beide Systeme verankern das Thema damit in der Medizin, was Versorgung, Statistik und Forschung erleichtert.
In einem sind sich alle Experten einig: Aufklärung über mögliche Risiken von Glücksspielen ist unerlässlich - ebenso wie möglichst umfassender Schutz der Spielenden. Gerade in Online-Casinos, wo die Verfügbarkeit des Spiels grenzenlos ist, gewinnt der Spielerschutz besondere Bedeutung - und das obwohl das Glücksspiel in Deutschland abnimmt.
Verbreitung von schädigendem Spielverhalten
Zur Verbreitung liegen internationale und nationale Schätzungen vor. Eine aktuelle Lancet-Kommission bewertet Glücksspiel als öffentliches Gesundheitsproblem und weist auf hohe weltweite Fallzahlen mit unterschiedlich ausgeprägten Schweregraden hin. Regionale Unterschiede bleiben groß, doch die Belastung in vielen Ländern ist belegt.
Für Deutschland bündelt der Glücksspielatlas 2023 zentrale Indikatoren. Nach diesen Angaben nahm 2021 knapp ein Drittel der Bevölkerung an Glücksspielen teil. Etwa 2,3 Prozent der Bevölkerung erfüllten Kriterien einer Störung, was rund 1,3 Millionen Menschen entspricht. Unter den Spielenden lag der Anteil mit Diagnose bei 7,7 Prozent. Die Datengrundlage stammt aus repräsentativen Befragungen, die regelmäßig fortgeführt werden.
Wie Diagnose funktioniert – Kriterien und Einstufung
Die Diagnose einer Spielsucht stützt sich nicht auf einzelne Verhaltensweisen, sondern auf ein Muster. Entscheidend ist eine Kombination aus Kontrollverlust, Toleranzentwicklung und anhaltendem Spielen trotz sozialer und finanzieller Folgen. ÄrztInnen, Psychologen und spezialisierte Beratungsstellen nutzen strukturierte Interviews, um die Kriterien nachvollziehbar zu prüfen.
ICD-11 betont die Priorisierung des Spielens gegenüber anderen Lebensbereichen. Diese Perspektive richtet den Blick auf Zeitaufwand, gedankliche Einengung und die Fortsetzung des Verhaltens trotz Nachteile. Behandelnde unterscheiden zwischen einmaligen Episoden, wiederkehrenden Phasen und persistierenden Verläufen. Eine sorgfältige Abklärung klärt Komorbiditäten, etwa Depressionen, Angsterkrankungen oder Substanzprobleme.
Welche Wege die Behandlung heute nimmt
Psychotherapie bildet den Kern der Versorgung. Kognitive Verhaltenstherapie reduziert Glücksspielverlangen, verändert Denkmuster und stärkt Rückfallprävention. Randomisierte Studien zeigen Nutzen für Abstinenz, Frequenz und Verluste. Die unterschiedlichen Verfahren kombinieren Psychoedukation, Reizkontrolle, Umgang mit Auslösern und Trainings zu Geldmanagement und Alternativen.
Motivational Interviewing unterstützt Einstellungsänderungen und stärkt die Bereitschaft, auf das Spielen zu verzichten. Beides lässt sich im Einzel- oder Gruppensetting einsetzen.
Unterstützende Therapie mit Medikamenten
Medikamentöse Ansätze dienen als Ergänzung. Evidenz liegt unter anderem für Opioidantagonisten wie Naltrexon und Nalmefene vor, die das sogenannte Craving – das Suchtverlangen – lindern können. Ärztliche Indikationsstellung, Überwachung und die Einbettung in Psychotherapie bleiben dabei zentral.
Studien berichten heterogene Effekte, daher empfehlen Fachleute eine individuelle Abwägung. Eine pharmakologische Behandlung ersetzt die psychosoziale Therapie nicht.
Gruppentherapie als weiterer Ansatz
Gruppenangebote schaffen Austausch, üben Fertigkeiten und entlasten Angehörige. Familien- und Paargespräche adressieren Konflikte, Schulden und Vertrauen. Die Schuldnerberatung gehört in vielen Programmen zum Standard, weil finanzielle Entlastung Rückfälle mindern kann.
Beratungsnetze von Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und freien Trägern sichern Zugang und begleiten in Richtung Stabilität. Das Bundesjustizministerium arbeitet parallel an einem gesetzlichen Rahmen für Schuldnerberatungsdienste, um die Versorgung zu ordnen.
Digitale Maßnahmen
Diverse digitale Angebote erweitern die Reichweite. Videotherapie, begleitete Online-Module und telefonische Kontakte erleichtern den Einstieg, insbesondere bei Scham, Distanz oder knapper Zeit.
Ein integriertes Fragebogensystem blendet Risiken sichtbar ein und unterstützt Entscheidungen in der Behandlung. Solche Systeme dienen nicht der Messung um der Messung willen, sondern dem Gespräch und der gemeinsamen Auswertung von Fortschritten.
Hilfe durch Virtual Reality und Co.
Virtual-Reality-Methoden kommen in spezialisierten Zentren zum Einsatz. TherapeutInnen konfrontieren Betroffene in geschützten Szenarien mit typischen Reizen, um Habituation zu erreichen und Strategien unter Anleitung zu üben.
Reha-Medizin schließt die Versorgungskette. In Deutschland arbeiten Kliniken mit multimodalen Programmen, die Erkrankungseinsicht, Abstinenz, Komorbiditäten und soziale Stabilisierung zugleich angehen.
Stationäre Teams kombinieren Gruppentherapie, Einzelgespräche, Soziotherapie und Arbeit an Schulden. Der Aufenthalt dauert je nach Belastung wenige Wochen bis mehrere Monate. Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenkassen finanzieren in der Regel die Behandlung nach Prüfung der Voraussetzungen.
Strukturierter Schutz – Selbstsperre und Regulierung
Neben Therapie zählen individuelle Schutzvorkehrungen als effektives Mittel gegen schädigendes Glücksspielverhalten. In Deutschland prüft das OASIS-System vor jeder Teilnahme an erlaubnispflichtigen Angeboten, ob eine Sperre vorliegt. Betroffene oder Dritte können eine Eintragung beantragen, wenn Risiken bestehen. Anbieter müssen die Sperrdatei abfragen und eine Teilnahme bei aktiver Sperre verhindern. Zuständig ist das Regierungspräsidium Darmstadt, das Anträge entgegennimmt und die Datenbank verwaltet.
Diese Maßnahme ergänzt Beratung, ersetzt sie aber nicht. Sie verschafft Abstand, der für Therapieentscheidungen wichtig sein kann, und schützt vor spontanen Entscheidungen in riskanten Phasen. Fachstellen beziehen den Sperrstatus in Behandlungspläne ein und besprechen Aufhebung oder Verlängerung im Verlauf. Die rechtliche Grundlage entstand mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021.
Wenn der Verdacht entsteht – erste Schritte und Anlaufstellen
Ein Verdacht entsteht oft aus wiederholten Verlusten, heimlichem Spielen oder finanziellen Engpässen. Häufig berichten Menschen von zunehmender gedanklicher Bindung und dem Drang, Verluste auszugleichen. Angehörige bemerken Rückzug, Reizbarkeit und unerklärliche Ausgaben.
Wer solche Muster erkennt, kann den Hausarzt ansprechen, eine Suchtberatung kontaktieren oder direkt eine spezialisierte Ambulanz aufsuchen. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (ehemals Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) führt eine kostenfreie, anonyme Hotline und verweist auf regionale Angebote. Online-Beratung senkt die Schwelle, wenn ein persönlicher Termin schwerfällt.
Hilfe zur Selbsthilfe
Selbsthilfe ergänzt Therapie. Gruppen wie Gamblers Anonymous arbeiten mit festen Treffen und vermitteln Austausch unter Betroffenen. Unabhängige Online-Angebote bieten rund um die Uhr Gespräche im Chat und strukturierte Hilfen für Angehörige. Diese Quellen ersetzen Diagnostik nicht, sie schaffen aber Orientierung und tragen durch Gemeinschaft. Wer intensivere Unterstützung benötigt, findet in Kliniken und Tagesprogrammen abgestufte Versorgung.
Finanzielle Stabilisierung bleibt ein zweiter Hebel. Kostenfreie Schuldnerberatung hilft, Budgets zu ordnen, Zahlungspläne zu entwickeln und rechtliche Wege zu prüfen. Träger veröffentlichen Ratgeber, die Schrittfolgen erklären und Kontaktwege sammeln. Der Einstieg gelingt oft über die örtliche Caritas, kommunale Stellen oder zertifizierte Fachberatungen.
Perspektive und Rückfallprophylaxe
Stabilität entsteht nicht nach einer einzelnen Sitzung, sondern im Verlauf. Behandlungsteams planen Nachsorge, vereinbaren Kontakte und thematisieren Risikosituationen. Viele Einrichtungen nutzen Telefonate, digitale Check-ins oder Nachsorgetermine in größeren Abständen.
Datenbasierte Verlaufsbeobachtung gewinnt an Bedeutung. Zentren dokumentieren Stimmung, Verlangen und Belastungen zu festgelegten Zeitpunkten und spiegeln die Ergebnisse in Gesprächen zurück. Ein Ampelprinzip erleichtert die Einordnung und richtet die Aufmerksamkeit auf Bereiche mit Handlungsbedarf. Solche Instrumente strukturieren den Dialog und verknüpfen subjektive Eindrücke mit beobachtbaren Veränderungen.
Rehabilitation, ambulante Psychotherapie, Schuldnerhilfe, Sperrsysteme und Selbsthilfe bilden zusammen ein Netz. Diese Bausteine greifen ineinander, weil Suchtverhalten selten nur eine Dimension hat. Wer früh handelt, erhöht die Chance auf Ruhe im Alltag, Klarheit im Haushalt und stabile Beziehungen. Hilfe ist verfügbar, und der Zugang lässt sich heute niedrigschwellig gestalten.
Bildmaterial mit Hilfe von KI generiert. Gastbeitrag Marcus N.






