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Co-Narzissmus: Wenn das eigene Ich im Schatten anderer verschwindet

Wenn das eigene Ich im Schatten anderer verschwindet

Haben Sie das Gefühl, sich ständig verbiegen zu müssen, um anderen zu gefallen? Fühlen Sie sich häufig erschöpft, weil Sie die Erwartungen anderer erfüllen möchten – koste es, was es wolle? Dann könnte es sein, dass Sie ein co-narzisstisches Muster entwickelt haben. Dieses Phänomen betrifft mehr Menschen, als viele vermuten. Es handelt sich um ein tief verwurzeltes Anpassungsmuster, das meist schon in der Kindheit entsteht und das gesamte spätere Leben prägen kann.

Co-Narzissmus beschreibt die Art und Weise, wie Menschen sich an narzisstische Partner, Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen anpassen. Sie geben ihre eigenen Bedürfnisse auf, um Anerkennung und Zuwendung zu erhalten. Das Tückische daran: Dieses Muster fühlt sich für Betroffene oft "normal" an – schließlich haben sie nie etwas anderes kennengelernt.

Ursprung und Begriff: Die Wurzeln des Co-Narzissmus

Der Begriff Co-Narzissmus wurde maßgeblich vom Schweizer Psychiater und Paartherapeuten Jürg Willi geprägt. In seinen wegweisenden Werken "Die Zweierbeziehung" und "Therapie der Zweierbeziehung" beschrieb er erstmals systematisch, wie sich Menschen an narzisstische Beziehungsmuster anpassen. Willi erkannte, dass in Partnerschaften mit einem narzisstischen Menschen der andere Partner eine spezifische Rolle einnimmt – die des Co-Narzissten.

Co-Narzissmus entsteht typischerweise in der Kindheit. Kinder, die mit einem narzisstischen Elternteil aufwachsen, lernen früh, dass ihre eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche weniger wichtig sind als die des Erwachsenen. Sie passen sich an überfordernde, widersprüchliche oder unrealistische Erwartungen an, um überhaupt Zuwendung und das Gefühl von Zugehörigkeit zu bekommen. Diese Kinder entwickeln feine Antennen dafür, was von ihnen erwartet wird – oft bevor es ausgesprochen wird.

Abgrenzung: Co-Narzissmus ist nicht gleich Co-Abhängigkeit

Häufig werden die Begriffe Co-Narzissmus, Co-Abhängigkeit und emotionale Abhängigkeit miteinander verwechselt oder gleichgesetzt. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Muster mit verschiedenen Hintergründen:

Co-Abhängigkeit beschreibt ursprünglich ein Verhaltensmuster, das im Kontext von Suchterkrankungen entsteht. Co-abhängige Menschen versuchen, das Leben des süchtigen Partners zu kontrollieren, übernehmen Verantwortung für dessen Verhalten und vernachlässigen dabei sich selbst. Der Fokus liegt auf Kontrolle und dem Versuch, die Situation "in den Griff zu bekommen".

Emotionale Abhängigkeit ist ein Bindungsmuster, bei dem der eigene Selbstwert stark davon abhängt, wie andere reagieren. Emotional abhängige Menschen brauchen ständige Bestätigung und fühlen sich ohne die Nähe anderer unvollständig oder wertlos.

Co-Narzissmus hingegen ist eine spezifische Anpassungsleistung mit dem Ziel, einem narzisstischen Gegenüber "gerecht zu werden". Es geht darum, dessen Erwartungen zu erfüllen, um Anerkennung zu erhalten. Co-Narzissten haben oft ein feines Gespür dafür entwickelt, was der narzisstische Mensch braucht – und stellen ihre eigenen Bedürfnisse konsequent hinten an.

Typische Muster und Auswirkungen

Die Folgen eines co-narzisstischen Musters zeigen sich auf vielen Ebenen des Lebens:

Selbstwertprobleme

Co-Narzissten haben oft einen sehr fragilen Selbstwert, der hauptsächlich davon abhängt, ob sie die Erwartungen anderer erfüllen. Sie wissen häufig nicht, wer sie eigentlich sind, wenn niemand etwas von ihnen will.

Chronische Unzufriedenheit

Trotz aller Anpassungsversuche fühlen sich Betroffene selten wirklich zufrieden oder erfüllt. Das liegt daran, dass die eigenen Bedürfnisse dauerhaft unterdrückt werden.

Anpassungszwang und fehlende Abgrenzung

"Nein" zu sagen fällt extrem schwer. Co-Narzissten haben Schwierigkeiten, gesunde Grenzen zu setzen, weil sie gelernt haben, dass Abgrenzung zu Ablehnung führt.

Angst vor Ablehnung

Die größte Befürchtung ist oft, nicht mehr geliebt oder akzeptiert zu werden. Diese Angst kann so stark sein, dass Betroffene lieber schweigen oder sich verbiegen, als einen Konflikt zu riskieren.

Psychosomatische Beschwerden

Der ständige innere Druck führt häufig zu körperlichen Symptomen: Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Verspannungen, Schlafstörungen oder chronische Erschöpfung sind typische Folgen.

Unsicherheit in eigenen Entscheidungen

Da co-narzisstische Menschen gelernt haben, sich nach anderen zu richten, fällt es ihnen schwer, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie zweifeln ständig, ob ihre Wahl "richtig" ist.

Entstehung in der Kindheit: Die Wurzeln des Musters

In narzisstischen Familiensystemen herrschen oft klare, aber unausgesprochene Regeln: Die Bedürfnisse und Befindlichkeiten des narzisstischen Elternteils stehen im Mittelpunkt. Kinder lernen schnell, dass ihre eigenen Gefühle, Wünsche oder Bedürfnisse "störend" oder "zu viel" sind.

Typische Botschaften, die Kinder in solchen Familien verinnerlichen:

    "Meine Gefühle sind nicht wichtig"

    "Ich muss perfekt sein, um geliebt zu werden"

    "Wenn ich etwas falsch mache, bin ich schuld an der schlechten Stimmung"

    "Ich bin für die Gefühle meiner Eltern verantwortlich"

Diese Kinder entwickeln eine Art "emotionalen Radar", mit dem sie die Stimmung des narzisstischen Elternteils ständig überwachen. Sie werden zu Experten darin, sich anzupassen, zu beschwichtigen und die Erwartungen zu erfüllen – allerdings auf Kosten ihrer eigenen Entwicklung.

Der Psychotherapeut Heinz-Peter Röhr beschreibt in seinen Arbeiten zu narzisstischen Familiensystemen, wie diese Kinder lernen, ihre authentischen Gefühle zu unterdrücken und stattdessen eine "Fassade" aufzubauen, die den Erwartungen entspricht.

Wege aus der Falle: Kombinierte Methoden für nachhaltige Veränderung

Die gute Nachricht: Co-narzisstische Muster können verändert werden. Die nachhaltigste Lösung bietet eine Kombination aus gesprächsbasierten und körperbasierten Methoden.

Gesprächsbasierte Ansätze

In der reflexiven Psychotherapie oder psychologischen Beratung geht es darum, die alten Muster zu erkennen und zu verstehen. Betroffene lernen:

    Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und ernst zu nehmen

    Gesunde Grenzen zu setzen

    Zwischen eigenen und fremden Gefühlen zu unterscheiden

    Selbstfürsorge zu praktizieren

    Neue, gesündere Beziehungsmuster zu entwickeln

Körperbasierte Methoden

Da co-narzisstische Muster oft tief im Nervensystem verankert sind, reicht reine Gesprächstherapie manchmal nicht aus. Körperbasierte Ansätze wie:

    Atemarbeit: Hilft, die eigene Körperwahrnehmung zu verbessern und Stress abzubauen

    Klopftechniken (EFT - Emotional Freedom Techniques): Unterstützen dabei, emotionale Blockaden zu lösen

    Körperwahrnehmungsübungen: Stärken das Gespür für eigene Grenzen und Bedürfnisse

Diese Methoden helfen dem Nervensystem, sich aus dem dauerhaften Alarmzustand zu lösen und neue, gesündere Reaktionsmuster zu entwickeln.

Integration beider Ansätze

Die Kombination beider Ansätze hat sich als besonders wirksam erwiesen. Während die gesprächsbasierte Arbeit das Verständnis und die kognitiven Veränderungen fördert, ermöglichen körperbasierte Methoden eine tiefere, ganzheitliche Transformation.

Eine professionelle Begleitung, die beide Ebenen integriert, bietet Betroffenen die besten Chancen auf nachhaltige Veränderung. Wichtig ist dabei ein Begleiter oder Therapeut, der sowohl die psychologischen Hintergründe versteht als auch in körperorientierten Techniken geschult ist.

Tipps zur Selbsthilfe und Prävention

Erste Schritte für Betroffene:

1.   Achtsamkeit entwickeln: Beginnen Sie, Ihre eigenen Reaktionen und Muster zu beobachten. Wann sagen Sie "Ja", obwohl Sie "Nein" meinen?

2.   Klein anfangen: Setzen Sie zunächst kleine Grenzen in weniger bedrohlichen Situationen. Das gibt Ihnen Übung und Sicherheit.

3.   Körpersignale ernst nehmen: Achten Sie auf Verspannungen, Unwohlsein oder andere körperliche Warnsignale. Ihr Körper zeigt oft früher als der Verstand, wenn etwas nicht stimmt.

4.   Selbstfürsorge praktizieren: Nehmen Sie sich bewusst Zeit für sich selbst – ohne schlechtes Gewissen.

5.   Unterstützung suchen: Tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus oder suchen Sie professionelle Hilfe.

Für Angehörige:

    Zeigen Sie Geduld und Verständnis – Veränderung braucht Zeit

    Ermutigen Sie die betroffene Person, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen

    Respektieren Sie neue Grenzen, auch wenn sie zunächst ungewohnt erscheinen

Fazit und Ausblick

Co-Narzissmus ist ein erlerntes Muster, das in der Kindheit entsteht und das gesamte spätere Leben beeinflussen kann. Die ständige Anpassung an die Erwartungen narzisstischer Menschen kostet enorm viel Kraft und führt zu erheblichem Leidensdruck.

Doch es gibt Hoffnung: Mit der richtigen Unterstützung können Betroffene lernen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, gesunde Grenzen zu setzen und authentischere Beziehungen zu führen. Die Kombination aus gesprächs- und körperorientierten Methoden bietet dabei die nachhaltigsten Erfolge.

Der Weg aus dem co-narzisstischen Muster ist kein Sprint, sondern ein Marathon – aber einer, der sich lohnt. Jeder Schritt hin zu mehr Selbstbestimmung und Authentizität ist ein Gewinn an Lebensqualität.

 

Über die Autorin:

Katharina Samoylova unterstützt als Heilpraktikerin für Psychotherapie Frauen dabei, nach belastenden Partnerschaften wieder zu sich selbst zu finden. Ihr Beratungsansatz zeichnet sich durch eine integrative Vorgehensweise aus, die sowohl die seelischen als auch die körperlichen Folgen toxischer Beziehungen einbezieht. Durch die Verbindung von therapeutischen Gesprächen mit körperbasierten Techniken – insbesondere der Emotional Freedom Technique (EFT) und bewusster Atemarbeit – ermöglicht sie ihren Klientinnen, tiefsitzende emotionale Blockaden aufzulösen. So entsteht ein Prozess zurück zu emotionaler Ausgeglichenheit und einem authentischen Selbstgefühl.

Zum Theralupa Eintrag

Weitere Informationen zu ihrem Beratungsangebot finden Sie unter: https://hilfe-bei-narzissmus.com/


Text und Bild wurden mit KI-Unterstützung erstellt